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Seniorenbildung in muttersprachlichen Communities

Impulse für passgenaue Bildungsangebote

Seniorinnen und Senioren mit Migrationsgeschichte

Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist sicherlich kein neues Phänomen, sondern war bereits mit den Gastarbeitern in den 1950er Jahren eine relevante Erscheinung. Manche Menschen ziehen nur für kurze Zeit oder wegen einer Notsituation in ihrem Herkunftsland in ein anderes Land, wohingegen viele auswandern und im Ankunftsland bleiben, oder bleiben wollen.

In dem Fall, dass sie bleiben, werden die Menschen natürlicherweise älter. In den Alten- und Servicezentren und den christlichen Gemeinden gibt es oft Seniorengruppen, deren Mitglieder eine Migrationsgeschichte haben. Die größten muttersprachlichen Seniorengruppen in den katholischen Gemeinden der Erzdiözese München und Freising sind derzeit die der Italienischen Katholischen Gemeinde und die der Kroatischen Katholische Gemeinde, die beide regelmäßig von je etwa 30 Personen besucht werden. 

Bewahrung der kulturellen Identität

Es ist verständlich, dass Neuankömmlinge in ihrem neuen sozialen Umfeld Menschen suchen, die die gleiche Sprache sprechen und vielleicht ähnliche Probleme zu lösen haben. So sind viele Migrantenvereine entstanden, welche die eigene ursprüngliche Kultur pflegen, oder christliche muttersprachliche Gemeinden, bei denen Seniorenbildungsangebote veranstaltet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Konzept der Erwachsenenbildung, so wie sie in Deutschland verstanden wird, nicht bekannt ist, sondern dass Bildungsangebote immer in pastoralem Kontext stattfinden. Im Zusammenhang mit älteren Menschen sollte auch die kollektive Dimension nicht unterschätzt werden, denn die Teilnahme an einem Angebot hängt von der Gruppe und selten von der Einzelinitiative ab. Bei einem Bildungsangebot muss daher berücksichtigt werden, dass es sich an die gesamte Gruppe richtet und dass Mundpropaganda der beste Weg ist, um sie auf Veranstaltungen aufmerksam zu machen.

Passgenaue Angebote für die Zielgruppe

Um im Bildungskontext adäquat auf diese Zielgruppe eingehen zu können, ist es nötig, sich ein Bild von ihr zu machen und für Bildungsangebote relevante Faktoren herauszuarbeiten.

  • Im Gegensatz zu Einheimischen ist sich die Zielgruppe der Kultur- und Bildungsangebote in der Gegend häufig weniger bewusst. Viele haben noch nie Museen, Kirchen oder andere Highlights der Stadt bzw. der Umgebung, in der sie leben, besucht. Solche Angebote werden aber sehr gut angenommen, wie die Erfahrung gezeigt hat. 
  • Auch die muttersprachlichen Seniorinnen und Senioren möchten über Themen informiert werden, die mit ihrer Lebensphase zusammenhängen. Oft erfahren sie aber nicht von Angeboten für ältere Menschen, die die Stadt oder ihre nähere Umgebung bereithält.
  • Es handelt sich um Menschen mit einer internationalen Biographie. Sie haben daher oft ein interessantes Leben hinter sich, über das es sich zu erzählen lohnt. Die KEB München und Freising in Kooperation mit dem Münchner Bildungswerk hat im Herbst 2024 ein Erzählcafé mit einem italienischen Pfarrer in der Münchner Seidlvilla organisiert, in der spannende Blicke auf die Migrationsgeschichte der Italiener in Deutschland ermöglicht wurden.
  • Digitalisierung ist ein Thema, mit dem die Zielgruppe in der Regel wenig vertraut ist. Per App einen Arzttermin zu vereinbaren, oder ein Zugticket zu kaufen, kann eine Herausforderung sein. Hier können Angebote ansetzen, zum Beispiel ein niedrigschwelliger Handy-Kurs, der bereits erfolgreich bei den italienischen Senioren in München angeboten wurde (KEB München und Freising in Zusammenarbeit mit dem Münchner Caritas Verband).

Was sollte man beachten?

  • Bildungsangebote müssen die Situation der einzelnen Gruppe berücksichtigen. Nicht jeder spricht fließend Deutsch, von daher ist Sensibilität für das Sprachproblem erforderlich. Es ist generell wichtig, jemanden in der Veranstaltung dabei zu haben, der sprachlich vermitteln kann.
  • Eine Zusammenarbeit mit z.B. der Caritas oder der Diakonie ist oft sinnvoll, da dort entsprechende Strukturen für muttersprachliche Angebote bereits vorhanden sind, meist allerdings weniger mit einem Bildungsansatz, sondern mehr in Bezug auf unmittelbare Hilfen im Alltag.
  • Bildungsangebote sollten nicht zu lang sein und auch immer soziale/gesellige Aspekte beinhalten.
  • Es bietet sich an, die Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Gemeinde zu organisieren, eventuell in Verbindung mit Treffen, die bereits dort stattfinden.
  • Das Thema bzw. der Titel der Veranstaltung sollte klar umrissen, kurz und gut verständlich sein, und der Zielgruppe einen klaren Nutzen signalisieren. Zum Beispiel: „Besichtigung einer altersgerechten Wohnung“ oder „Pflegegrade beantragen“, „Patientenrecht“ oder „Fragen rund um die Rente“.
  • Bestehende Angebote der Katholischen Erwachsenenbildung lassen sich durchaus für die muttersprachlichen Gemeinden adaptieren: In Kooperation mit der Seniorenbildung in der Abt. Außerschulische Bildung im EOM und der KEB München und Freising ist ein Pilotprojekt „Interkulturelles Gedächtnistraining“ für die Senioren der italienischen Community geplant.
  • Kreative Angebote, wie „Theaterspielen“ oder „Oster- bzw. Weihnachts-Bastelarbeiten“, entstehen häufig im Gespräch mit der Gruppe und werden deshalb gut angenommen.
  • Es ist wichtig, die Struktur und die Initiativen der Katholischen Erwachsenenbildung klar darzustellen, indem man die Personen darüber informiert, die in der Gemeinde Verantwortung tragen – insbesondere Pfarrer und Gruppenleitung. 
  • Angebote müssen eine gewisse Flexibilität beinhalten; manchmal sind ein „langer Atem“ und Geduld nötig, um neue Formate ins Laufen zu bringen. Persönliche Kontakte und vertraute Ansprechpersonen sind wesentliche Erfolgsfaktoren, um Erwachsenenbildungsangebote in der Community bekannt zu machen und die Zielgruppe wirklich zu erreichen.

Weiterführende Infos / Links

Italienische Katholische Gemeinde: https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/italienische-katholische-gemeinde-muenchen

Kroatische Katholische Gemeinde: https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/kroatische-katholische-gemeinde-muenchen

Webseite von Ressort 4 Seelsorge Muttersprachliche Gemeinden: https://www.erzbistum-muenchen.de/ordinariat/ressort-4-seelsorge-und-kirchliches-leben/muttersprachliche-seelsorge

Caritas – Alveni (Standort Neuhausen): https://www.caritas-migration-neuhausen.de/de

Informationskampagne „Brücken bauen" der Diakonie e.V. : https://www.hilfe-im-alter.de/hilfe-im-alter-startseite/offene-altenarbeit/schulung-ehrenamt/projekt-brueckenbauen.  Ältere Menschen mit Migrationsbiographie und deren soziales Umfeld werden in deren Muttersprachen über Themen rund um das Leben im Alter informiert.

Allgemeine Stelle für Seniorenarbeit bei der Diakonie e.V: https://www.hilfe-im-alter.de/

Die Diakonie München und Oberbayern führt bereits seit mehreren Jahren die Informationskampagne „Brücken bauen“ durch.

 

Kontaktdetails für Rückfragen

Dr. Umberto Lodovici

Referent für Bildung und Migration

KEB München und Freising e.V.

ULodovici(at)extern.eomuc.de

Tel.: 089 2137 77298

 

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